Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. Autor: Michael Good, Heft 25/2011

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Yachttest der Oceanis 45

Oceanis 41: Drei neue Oceanis auf einen Schlag

Optisch sind die Boote identisch, nur die Dimensionen sind proportional angepasst. Die Unterschiede lassen sich vom Betrachter auf Distanz nicht ausmachen. Die Vorstellung von gleich drei neuen Yachten aus derselben Typenreihe und zur selben Zeit ist einzigartig. Eine solche Herkulesaufgabe hat die Branche bisher noch nicht gesehen, nicht in der Form jedenfalls. Der Werftriese Beneteau stellt sich der Herausforderung, im Wissen, sowohl über das Knowhow wie auch über die dafür nötige Infrastruktur zu verfügen.

Oceanis 45: An Deck

Zwei Dinge stechen bei der Oceanis 45  sofort ins Auge: der markante Targabügel über dem Cockpit und die große Badeplattform. Beide Details charakterisieren die neuen Schiffe und bedürfen einer gesonderten Betrachtung. Der Bügel ist eine Art Multitool. Das massive und äußerst robust konstruierte Formteil übernimmt in erster Linie die Großschot aus dem Cockpit. Das hat vor allem beim Touren viele Vorteile, so wirkt der Schotzug auf den Baum effektiver, und dank flachem Winkel kann das Segel besser und kontrollierter getrimmt werden. Auch bietet der Targabügel eine willkommene Aufnahme für die Sprayhood. Die fällt bei den neuen Modellen auffällig groß und wuchtig aus. Für das Auge ist das bestimmt gewöhnungsbedürftig, hier steht die Schutzfunktion vor optischen Aspekten. Allerdings hat der Bügel auch Nachteile. Der Großbaum der Oceanis 45  muss so ungewöhnlich hoch am Mast angeschlagen werden. Darunter leidet die Performance unter Segeln weniger als die Erreichbarkeit beim Auftuchen des Segels, das gilt trotz Lazy-Bags. Der Baum ist aus dem Stand ab Deck nicht erreichbar, Kletterpartien auf den Targabügel sind unumgänglich. Allerdings gibt es dafür weder Trittstufen noch Haltemöglichkeiten. Um den Reißverschluss am Segelkleid zuzuziehen, muss man Kopf und Kragen riskieren. Abhilfe schafft da nur die Option auf einen Rollmast.

Oceanis 45: Badeplattform

Über eine recht komplizierte Mechanik wird die Badeplattform am Heck abgefiert und faltet sich dabei förmlich zu einer riesigen Badeterrasse auf. Unterstützt wird der Vorgang, der knapp 30 Sekunden dauert, von zwei Elektromotoren. Die abklappbare Seebühne ist der Standard -Lieferumfang für die Oceanis 45 , funktioniert ab Werft gut und erfreut in seiner smarten Art fraglos besonders die Anhänger technischer Spielereien. Nur Knopfdrücken allerdings genügt nicht. Zum Absenken ist als Erstes die Plattform zu entriegeln, dann müssen die vier Heckdrähte der achtern durchlaufenden Reling abgeschäkelt werden. Vergisst man das, könnte die Mechanik oder auch die Struktur Schaden nehmen, die Motoren sind für Zerstörungen stark genug. Zudem blockiert die geschlossene Plattform die sonst sehr geräumigen Stauräume am Heck. Wichtiger ist dieser Umstand noch hinsichtlich der ebenfalls achtern gestauten Rettungsinsel - auch sie kann nur bei geöffneter Klappe problemlos eingesetzt werden. Beneteau ist sich des Problems bewusst, man arbeitet an einem System zur schnellen und von der Elektrik unabhängigen Entriegelung der Plattform im Notfall- ein zwangsläufiger Schritt.

Oceanis 45: Cockpitlayout

Das Layout im Cockpit ist ungemein praxisorientiert. Die Genuaschot wird auf große Winschen beim Steuermann umgelenkt, das Großsegel trimmt man auf der Winsch beim Niedergang. Die typisch fahrtenorientierte und mehrfach bewährte Anordnung funktioniert bei der neuen Oceanis 45 ebenfalls einwandfrei. Auch die doppelte Steuerung arbeitet mechanisch fehlerlos und trotz der langen Wege auf den Quadranten leichtgängig sowie fast ohne Spiel. Allerdings ist für die Lenkung nur ein durchgehendes Kabel verbaut, für beide Räder.

Oceanis 45: Unter Deck

Viel Aufmerksamkeit verdient der Wohnraum unter Deck, angefangen beim Niedergang. Der ist nämlich schön flach gehalten, wie eine Treppe zu Hause. Der Neigungswinkel beträgt 45 Grad, normalerweise sind diese Bereiche deutlich steiler, mit einem Winkel von 60 oder sogar 70 Grad. Speziell die etwas älteren Segler werden das erfreulich finden. Die eher dunkel gebeizten Mahagoni- Furniere für den Innenausbau sind mittlerweile schon zu einem Markenzeichen für die Beneteau -Yachten geworden. Und es werden werftseitig keine Alternativen dazu angeboten - man muss das also mögen. Dafür haben die Innendesigner des Mailänder Studios Nauta die Interieurs der neuen Oceanis 45 mit vielen hellen Flächen optisch aufgelockert, das flächige Hauptschott und auch die Deckenpaneele beispielsweise wurden mit weißem Kunstleder überzogen. Zusammen mit den ebenfalls weißen Polsterungen beim Testschiff ergibt sich ein markanter Hell-Dunkel-Kontrast. Natürlich sind für die Polster auch Farb- und Materialvarianten erhältlich.

Bei der Oceanis 45 ändert sich lediglich der Platz vor dem Hauptschott. Mit mehr Ausbaualternativen zum Standardboot ist sie wandlungsfähiger Am Steg liegen die beiden Schwestern Oceanis 41 und Oceanis 48 dicht an dicht. Wie eineiige Zwillinge, voneinander kaum zu unterscheiden. Dasselbe Layout und die gleichen Funktionen an denselben Stellen. Beschläge, Leinen, Winschen - alles absolut identisch. Bis auf die Größe.

Die Oceanis 45 ist etwa 1,50 Meter länger und knapp 30 Zentimeter breiter als die 41er. Auf das Cockpit hat dies kaum Auswirkungen. Die Duchten dürfen acht Zentimeter länger sein, und sie liegen etwas weiter auseinander. Der Cockpittisch und die Steuereinheiten sind ebenfalls auf beiden Booten uniform, genauso wie der Targabügel, die Heckplattform und die Backskisten. Nur proportional angepasst. Die Homogenität der beiden Schiffe ist bemerkenswert und zieht sich auf den ersten Blick auch unter Deck durch. Salon, Pantry, Navigation und Nasszelle präsentieren sich auf der Oceanis 45  ohne nennenswerte Unterschiede zum kleineren Boot. Auch die Maße sind dieselben. Beneteau verbaut für die beiden Schiffe zumindest größtenteils die gleichen Möbel, was ja im Grunde völlig in Ordnung ist. Auffällig nur, dass die Maststütze nicht mehr wie bei der 41er mitten im Salon, sondern bei diesem Boot direkt am Hauptschott steht. Das bedeutet, dass Oceanis 45  die 1,5 Meter mehr Schiffslänge voll und ganz dem vorderen Schiffsbereich zuschlägt. Im Vergleich zur kleineren Schwester ist die Eignerkabine der Oceanis 45   nun deutlich großzügiger ausgelegt und verfügt nicht mehr über eine normale Dreieckskoje, sondern über ein richtiges Inselbett. Allerdings ist die Liegefläche mit einer Breite von lediglich 1,33 Meter auf Schulterhöhe für zwei Erwachsene eher knapp berechnet.

Weiterhin ist nun ein geräumiges Bad mit abgetrenntem Duschbereich Standard. Im Unterschied zur kleineren Schwester verfügt die Oceanis 45 er zudem über einen begehbaren Segelstauraum im Vorschiff. Wie die 41er ist auch die Oceanis 45 als Zwei- oder Dreikabiner zu bekommen. Darüber hinaus ist in der Variante "Family" ein zusätzlicher, dritter Toilettenraum achtern machbar. In diesem Fall wird aber die Pantry zur langen Küchenzeile seitlich und verdrängt backbords die Couch mit der verschiebbaren Navigation. Ebenfalls erhältlich: eine Vierkabinen-Version mitgeteiltem Vorschiff. Insofern bietet die Oceanis 45 gegenüber dem kleineren Schiff nicht nur mehr Länge, Breite und dadurch mehr Volumen, sondern auch die Wahl zwischen mehr Platz oder mehr Kabinen.

Oceanis 45: Fazit des Yachttest

Gefällige Linien, attraktive Ausstattungspakete, ordentliche Bau- und Ausbauqualitäten sowie viele schöne Details - so präsentieren sich die neue Oceanis 45  von Beneteau. Dazu kommt ein ungewöhnliches, aber ungemein zielgerichtetes und zudem auch sinnvolles Schiffskonzept mit modularen Ausbaustufen. Ob die Kunden dies schätzen oder trotz allem mehr Varianz auch in optischer Hinsicht wünschen, wird sich zeigen. Das Projekt zeugt jedenfalls von Mut und Zuversicht. Chapeau, Beneteau!

 

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