Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. Autor: Michael Good Heft 02/2011

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Yachttest der Lagoon 450

Lagoon 450: Das Stock-Werk!

Lagoon setzt weiterhin auf die Flybridge, auch beim neuen mittelgroßen Katamaran. Das doppelgeschossige Fahrtenkonzept funktioniert bestens – man muss es nur mögen

Das ist Segeln auf wortwörtlich hohem Niveau: Der neue Lagoon 450 hat eine Flybridge. Mit dem ungewöhnlichen Stockwerk-Konzept steuert und bedient die Crew den Kat vom Kajütdach aus. Das kennt man von Motoryachten zur Genüge, oder von Segelyachten im XXL-Format. Die französische Werft Lagoon Catamarans hat das doppelstöckige Layout vor mehr als fünf Jahren mit der 440er (YACHT-Test in Heft 22/05) zum ersten Mal und als echte Neuheit auch im Bau von mittelgroßen Fahrtenmultis vorgestellt.

Dabei sollte es auch bleiben. Dem Flybridge-Konzept mochten die anderen Katamaran-Hersteller bislang nicht folgen, jedenfalls nicht in diesem Längensegment. Erhöhter Steuerstand seitlich ja, doppelstöckig nein. Umso besser für die Werft, die damit ein Alleinstellungsmerkmal ausweisen kann – einmal mehr jetzt mit dem Lagoon 450, dem Nachfolgemodell des 440. Die Grundidee bleibt dieselbe, zeigt sich beim neuen Boot aber ausgereifter und in vielen Details verbessert.

Lagoon 450: Unter Segel

Bedient wird der Kat unter Segeln ausschließlich auf dem Obergeschoss. Dazu sind sämtliche Trimmleinen, alle Fallen und auch die Schoten in die unmittelbare Nähe des Steuerstands auf der zweiten Etage geführt, auch die Großschot und der Traveller. Das ist an sich klasse, denn von seiner Position aus kann der Skipper alle Funktionen erreichen und braucht seinen Hochsitz nicht zu verlassen.

So gesehen, ist der Lagoon 450 sogar kompromisslos einhandtauglich, was im Test tatsächlich hervorragend funktioniert. Und der eigentliche Cockpitbereich darunter bleibt von sämtlichen Aktionen in Zusammenhang mit dem Setzen und Trimmen der Segel entlastet. Das freut passive Mitsegler, trennt aber in Fahrt die Crew.

Winschen stehen an der erhöhten Kommandozentrale ausreichend zur Verfügung, als aufpreispflichtige Option auch mit Elektro-Antrieb, was sich sehr empfiehlt für eine komfort- und lustbetonte Seereise. Für das neue Modell haben die Lagoon-Macher den Steuerstand aus der Mitte genommen und jetzt etwas seitlicher platziert. So sieht der Rudergänger ohne jede Einschränkung nach vorn und auch besser in die Segel.

Lagoon 450: Besonderheiten

Ein merkwürdiges Gefühl ist es allemal, ein Segelboot in etwa vier Meter Höhe zu steuern, zugleich aber auch genussreich – zumindest bei schönem Wetter, angenehmen Temperaturen und einer netten Brise. Sonst steht der Steuermann hier weitgehend ungeschützt gegen Wind und Wasser, falls dieses von oben kommen sollte. Damit verengt sich der Einsatzbereich des Lagoon 450 mehr auf die südlichen Reviere. Segler im Mittelmeer oder in der Karibik beispielsweise werden ihre Freude am Flybridge-Konzept haben. Auf der anderen Seite bedeutet das zugleich, dass sich von dem Boot Charterkunden stark angesprochen fühlen dürften.

Der mediterrane Fokus spiegelt sich auch in der Sonnenliege auf dem Kabinendach wider. Die ist in der Form neu und auf einem Kat dieser Größe erstmals realisiert. Weiter gibt es auf dem Vorschiff eine im Deck eingelassene U-Sitzbank. Auch das ist eine Besonderheit des Lagoon 450.

Wer einen Fahrtenkatamaran gut und zügig steuern will, muss laufen lassen können. Zu dicht geschotete Segel und zu spitze Winkel zum Wind sind die Spaßhemmer Nummer eins. Trotzdem überrascht der Lagoon 450 mit erfreulichen Leistungswerten an der Kreuz. Der knapp 12 Tonnen schwere Zweirumpfer wendet über einen Winkel von lediglich 90 Grad, was im Vergleich sehr gut ist. Bei etwa 12 Knoten Wind erreicht das Boot einen Speed von 6,3 Knoten, ebenfalls ein ordentlicher Wert. Bemerkenswert ist, wie lebendig sich der Kat durch die Manöver steuern lässt.

Die Rümpfe sind von Lagoon im Unterwasserbereich runder geformt als die von den meisten vergleichbaren Konkurrenten, dafür fallen sie etwas voluminöser aus und tauchen deshalb weniger tief ein. Die Konstruktion stammt übrigens von Marc Van Peteghem und Vincent Lauriot Prévost. Die Multihull-Spezialisten haben unter anderem den Erfolgs-Tri von BMW Oracle Racing sowie den Rekord-Flieger „Hydroptère“ gezeichnet.

Lagon 450: Genug Stauraum für alles

Neu gestaltet und konzipiert ist das feste und begehbare Dach über dem Cockpit. Das GFK-Formteil ist jetzt mächtiger, bekommt dafür aber auch einige smarte Besonderheiten ein- und angebaut. Zum Beispiel einen Stauraum für den Cockpittisch und eine große Luke zum Öffnen. Diese sorgt für gute Ventilation, bessere Kommunikation zwischen oben und unten und ermöglicht dem Steuermann eine freie Sicht ans Heck beim Rückwärts-Einparken.

Das untere Cockpit ist ebenfalls komplett neu gestaltet. Die Sitzgruppe wurde backbords installiert und lässt an Steuerbord Platz für eine Liege. Katamaran-typisch gibt es natürlich auch an Deck des Lagoon 450 Stauraum in Hülle und Fülle. Hier ist er zudem besonders gut nutzbar. Im Vergleich zum Vorgängermodell 440 lässt sich beim neuen Kat die Fensterfront zwischen Salon und Cockpit weiter öffnen. Damit verschmelzen die Lebensräume innen und außen. Kreativ: Der kleinere Cockpit- und der größere Salon- tisch können getauscht werden, je nachdem, wo die Mannschaft speisen will.

Lagoon 450: Unter Deck

Für den Innenbereich baut auch Lagoon weiter auf das typische Konzept mittelgroßer Katamarane. Viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt es da gar nicht. Das heißt: Vierkabinen- Version für den Chartermarkt mit jeweils zwei Doppelkabinen und eigener Nasszelle in beiden Rümpfen. Oder alternativ: Drei Kabinen-Version für Eigner mit großer Suite und Riesen-Bad im Steuerbord-Rumpf.

Fürstlich zeigen sich die Platzverhältnisse in den Kabinen. Die Liegeflächen sind alle groß genug für zwei erwachsene Personen, und überall sind gut erreichbare und voluminöse Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden. Selbst bei Vollbelegung im Charterbetrieb finden alle Gäste an Bord genügend Platz für das persönliche Gepäck. Beim neuen Modell hat die Werft nun auch den Nasszellen etwas mehr Raum verschafft. Jetzt gibt es in allen Bädern an Bord einen ab getrennten Duschbereich.

Im zentralen Deckssalon hat Lagoon ebenfalls umplatziert. Die Pantry liegt nun an Backbord und ist in U-Form ausgeführt. Die Sitzgruppe an Steuerbord wird bei Bedarf mit losen Hockern ergänzt, ist aber nicht für eine Nutzung als zusätzliche Koje vorgesehen. Gut gemacht hat die Werft die Navigation mit freier Sicht nach vorn durch die großen Aufbaufenster. Von hier aus lässt sich der Kat problemlos auch per Joystick steuern – die Wahl bei schlechtem Wetter. Gebaut wird der Lagoon 450 aus sieben einzelnen Teilen als GFK-Sandwichkonstruktion im Infusionsverfahren. 422.450 Euro kostet er in der Basisversion für Eigner, etwas mehr (428.400 Euro) in der Charterversion. Der Preis erscheint angemessen, allerdings ist die Einordnung in diesem sehr speziellen Marktsegment schwierig. Der direkte Mitbewerber von Fountaine Pajot, der Orana 44, liegt preislich jedenfalls etwa auf derselben Wellenlänge.

Die Flybridge macht den Lagoon 450 in seinem Umfeld zu etwas ganz Besonderem. Das Doppelstock-Konzept werden viele, aber bestimmt nicht alle mögen. Für Charterfirmen im Süden kann es jedenfalls ein gutes Argument sein. Unabhängig von der Flybridge ist der Kat einfach ein gutes und ungewöhnlich komfortables Fahrtenboot.

 

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