Der hier veröffentlichte Text ist dem vollständigen Yachttest der Zeitschrift "Yacht" entnommen. Sie können die PDF-Datei mit dem vollständigen Artikel downloaden. Dieser Artikel enthält aussagekräftige Bilder, detaillierte Diagramme, Vergleiche zu anderen Yachten sowie präzise technische Angaben. (Autor: Michael Good, Heft 19/2009)

yacht - Yachttest von Europas größtem Segelmagazin

Yachttest der First 35

First 35: Neuer 35 Fuß Racer

In diesem zunehmend attraktiven, zukunftsorientierten Marktumfeld hat sich das Welt größtes Werftunternehmen Bénéteau längst schon einen festen Platz erarbeitet. Mehr noch: Mit ihrer erfolgreichen First-Serie gehören die Franzosen zweifellos zu den Trendsettern in der Kategorie fahrtentauglicher Racer oder renntauglicher Cruiser, Regattaseglern in guter Erinnerung ist die First 40.7, ein Boot, welches auf der Regattabahn und als Folge davon auch in den Auftragsbüchern der Werft große Erfolge feierte. Sie wurde erst unlängst von der First 40 ersetzt (Test YACHT 24/2008). Sie konnte sich mit der Nominierung zur Wahl als Europas Yacht des Jahres 2010 jetzt eine gute und vielversprechende Starthilfe erarbeiten.

Dieses gute Konzept hat Bénéteau nun auch ins nächst kleinere Segment übertragen. Die neue First 35 beerbt auf logische und nachvollziehbare Weise zwei Vorgängermodelle. Zum einen die 34.7 (Test YACHT 7/2006), welche die an sie gestellten Anforderungen nicht ganz erfüllen konnte. Denn das Farr- Design war zwar schnell unterwegs, hatte auf der Regattabahn mit Gennaker und Bugrüssel gegen die Spinnakerboote jedoch das Nachsehen. Mit ihrer, für die Bootsgröße sehr ungewöhnlichen Innenaufteilung (Doppelkabine achtern, Nasszelle im Bug) fand die 34.7 zudem nicht genug Freunde in den Reihen der sportlichen Fahrtensegler; der Absatz fiel hinter die Erwartungen zurück. Zum anderen bedurfte auch die First 36.7 einer Überarbeitung. Das Boot hat sich zwar seit 2001 mit recht konstanter Auftragslage im Werftprogramm gehalten, passte aber zuletzt nicht mehr gut zum übrigen Portfolio. Die neue First 35 soll also gleich beide Modelle ersetzen. Das ist aus marktstrategischer Sicht durchaus sinnvoll und lockert zudem das ansonsten schon recht dicht gepackte First-Programm etwas auf.

Außerdem passt die First 35 sehr gut als neue Konkurrentin in die attraktive und ab- satzstarke, aber auch sehr anspruchsvolle Klasse der Performance-Cruiser um 34 bis 35 Fuß Länge (siehe Vergleichstest YACHT 15 und 16/2008). Spannend wird sein, ob sich die Neue gegen die starke Konkurrenz in Form der X-34, Dehler 34 oder Dufour 34E durchsetzen kann, sowohl im Markt als auch auf der Regattabahn. Die Voraussetzungen für einen starken Auftritt im Handel sind jedenfalls gut.

Mit einem Basispreis von 115.310 Euro ist die neue First 35 die günstigste Yacht im erwähnten Wettbewerb. Allerdings zählt in dieser Klasse vielmehr der Kostenabgleich nach der Ausstattungsbereinigung zum segelfertigen Boot. So werden in der Grundausstattung der First 35 die Segel nicht mitgeliefert. Für eine einigermaßen brauchbare Garderobe sind mindestens 8.000 Euro zusätzlich aufzuwenden. Ambitionierte Regattasegler werden für mehr Auswahl und bessere Qualität tiefer in die Tasche greifen müssen. Mit weiteren, unerlässlichen Extras addiert sich der segelfertige Preis (gemäß YACHT Definition) für die First 35 auf knapp 131.000 Euro. Damit liegt sie dann schon leicht über den Preisvorstellungen für die Dehler 34 (128.220 Euro) und die Dufour 34E (123.310 Euro). Die X-34 wiederum ist noch deutlich teurer. Segelklar kostet sie 173.500 Euro, spielt aber auch in Sachen Ausrüstungsstandard und Bauqualität in einer höheren Liga.

Um die First dennoch zu einem attrattiven Preis anbieten zu können, hat Bénéteau für das Schiff eine ganze Reihe von sinnvollen und preislich interessanten Ausstattungsbündeln zusammengestellt. Die Kostenvorteile kriegt der Kunde. Die Pakete Dynamic (2490 Euro) und Ambition (6010 Euro) bieten eine Auswahl von Annehmlichkeiten für die Ansprüche von Fahrtenseglern, zum Beispiel eine demontierbare Genua-Rollanlage, ein Kühlaggregat für die Eisbox oder ein Warmwasserboiler. Die Version Regatta (das Testschiff ist damit ausgestattet), richtet sich mit Rodwanten, Rohrkicker, einer kompletten Spi-Einrichtung mit Kohlefaserbaum sowie einem Genua-Inhauler-System hingegen mehr an sportliche Segler. Der Aufpreis für das Performance- Paket liegt bei 8760 Euro. Zudem im Angebot: Ein Elektronikpaket für 8.500 Euro mit Multifunktionsgeräten, Maxi-Displays, GPS- Kartenplotter und Fernbedienung. Preislich bleibt die neue, kleine First also durchaus konkurrenzfähig. Aber kann sie diesem Anspruch auch unter Segeln gerecht werden?

First 35: Unter Segeln

Ein GPF-Wert als Grundlage für eine ORC- Vermessung liegt derzeit noch nicht vor. Ein theoretischer Leistungsvergleich bleibt somit vorerst noch aus. Beim YACHT-Test vor der französischen Atlantikküste gab der Prototyp der Konstruktion von Farr Yacht Design allerdings schon mal eine eindrückliche Kostprobe des Leistungsvermögens. Bei etwa zwölf Knoten erreichte das Boot 6,4 Knoten am Wind, bei einem Wendewinkel von knapp 80 Grad. Mit voller Crewstärke von 6 bis 7 Mann auf der Kante dürfte das Boot noch mit einigen Graden mehr Höhe am Wind segeln und dazu auch noch etwas mehr Speed machen.

Auffällig ist, dass sich die First 35 nach einer Wende recht schnell auf die Backe legt, dann aber ab einer gewissen Lage sehr steif und kursstabil vorwärts marschiert. Das soll so sein, erklärt Eric Ingouf, Bénéteaus langjähriger Produktleiter für die First-Linie, um möglichst bald die optimale Krängung zu erreichen und damit die maximale Wasserlinienlänge auszunutzen. Deswegen ist der Ballastanteil auch recht gering. Die lange, schlanke Torpedobombe hält nur gerade 27 Prozent am Gesamtgewicht. Dafür ist der Kiel tief. Das leistungsorientierte Gusseisenprofil der Standardversion langt bis 2,20 Meter nach unten. Das ist deutlich mehr als bei den Wettbewerbern, bei denen die Tiefgänge meist noch unter zwei Metern liegen. Hebel statt Masse also. Wem das zu viel Tiefgang ist, der bekommt das Boot auch mit einem auf 1,80 Meter reduzierten Tiefgang, dafür mit mehr Bleiballast.

Für das Rigg der First 35 übernimmt auch Bénéteau das mittlerweile bei Performance- Cruisern schon fast übliche Konzept mit den Wantenpüttings außen am Schiffsrumpf und einer hohen aber schlanken Genua III mit maximal 108 Prozent Überlappung. Sowohl die 34.7 als auch die 36.7 wurden dagegen noch mit großen, weit überlappenden Vorsegeln gefahren. Auch das Thema Gennaker am ausfahrbaren Bugspriet ist für die Nachfolge der 34.7 wieder vom Tisch. Die First 35 wird mit Spinnaker gesegelt.

Punkten kann die First 35 mit einem nahezu perfekten Decklayout und einer ausgereiften Anordnung der Beschläge. Sportliche Segler profitieren hier von der langjährigen Erfahrung von Bénéteau mit regattaoptimierten Yachten. Auffällig gut ist auch die Qualität der Ausstattung an Deck. Hier wird bei Bénéteau nicht gespart und ausschließlich hochwertige Ware namhafter Hersteller verbaut. So sind beispielsweise die Fallen, Schoten und Strecker fast durchgängig schon auf dem Standardboot aus reckarmen Dyneema-Material.

Die Arbeitspositionen von Steuermann und Großschoter sind allerdings nicht ganz optimal. Auf der Sitzfläche achtern am Süll wird es für beide eng und für den Mann am Groß fehlt zudem auch eine Fußstütze. Besser sitzt er vor den Winschen des German- Cupper-Systems, kann dann allerdings Traveller und Achterstag nicht mehr bedienen.

First 35: Unter Deck

Volle Fahrtentauglichkeit bietet der Innenausbau der First 35. Für den Bereich unter Deck übernimmt Bénéteau das für die Klasse übliche Grundlayout, also Doppelkabinen im Vor- und Achterschiff, symmetrischer Salon mit zwei Sofas, die sich auch als Kojen eignen, Nasszelle achtern im Schiff sowie Pantry und Navigation seitlich am Niedergang. Das ist bei den Yachten der Konkurrenz ebenfalls auf diese Weise gelöst. Alternativen mit drei Kabinen bieten sich in dieser Bootsklasse nicht an, dafür sind die Hecks noch zu schmal.

Ungewöhnlich sind zwei Durchgänge ins Vorschiff. Stehen die beiden Türen am Hauptschott offen, vermitteln die offenen Fluchten unter Deck ein beachtliches Raumgefühl. Tatsächlich hat man den Eindruck, auf einem wesentlich voluminöseren Boot zu sein, ein willkommener Nebeneffekt. Die zwei Türen bieten aber vor allem den Vorteil, dass die langen Segelsäcke bis in die Bugkabine gestaut werden können, ohne dass der Zugang nach vorne komplett blockiert ist. Trickreich ist, dass der Salontisch für die Regatta abgesenkt werden kann und so weniger stört. Da demontierbare Salontische in der Vermessung bestraft werden, bleibt das Möbel auf der First 35 fest installiert.

Zwei Kunststoff-Tanks unter den Sitzbänken im Salon können bis zu 200 Liter Frischwasser bunkern. Allerdings ist damit das Stauraumangebot im Zentrum eher bescheiden. Dafür glänzt wiederum der Navigationsbereich mit einer ungewöhnlich großen Anzahl von gut nutzbaren Stau- fächern. Sperrige Sachen könnten unter der Koje im Vorschiff untergebracht werden. Allerdings kommt man an das große Volumen nur mühsam heran. Die Polsterungen sind längs unterteilt, die Kojenbretter dagegen quer. Wer hier Sachen stauen will, muss auseinanderbauen. Ein echter Fehler steckt in den seitlichen Staufächern im Salon. Die Türchen sind mit zwei Verschlüssen versehen, ihr Öffnen ist dementsprechend nur zweihändig möglich. Das geht im Hafen. Für unterwegs auf See ist das aber unpraktikabel. In den Kleiderkästen wären zudem Ablagen wünschenswert.

First 35: Fazit

Eines ist klar. Die Einführung der First 35 wird Spuren bei der Konkurrenz in der hart umkämpften Klasse hinterlassen. Bisher hat Bénéteau hier noch nicht richtig mitgespielt, die 34.7 war dafür zu speziell, die 36.7 zu alt und überholt. Jetzt aber droht starker Wettbewerb mit einem guten Gesamtpaket und einem gelungenen Kompromiss zwischen Komfort und Speed.

 

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